Restaurierung.

Am Beispiel eines Moskwitsch 2140 sollen hier die Etappen einer Restaurierung nachgezeichnet werden. Die Photographien des Restaurierungsobjektes wurden von Herrn Torsten Zöke aus Thüringen freundlichst zur Verfügung gestellt. Er hat dieses Fahrzeug mit großer Sorgfalt wieder zu neuem Leben erweckt und dafür etwa 1.980 Arbeitsstunden benötigt.

Der Moskwitsch 2140 der Familie Zöke. Diese Photographie entstand 1981.

Die Frage nach der Entstehung seiner Moskwitsch-Leidenschaft beantwortet der heute 26jährige mit dem Hinweis auf prägende Kindheitserlebnisse. Und dies ist durchaus typisch. Die meisten der heute aktiven Moskwitsch-Freunde machten ihre ersten Erfahrungen mit dem Phänomen "Automobil" als kleine Passagiere im Moskwitsch-Kraftwagen der Eltern, Großeltern oder des Onkels.

Eine weitere Aufnahme aus dem Jahre 1981. Torsten Zöke, hier im Bilde, war damals 6 Jahre alt.

Der Eindruck, den diese frühkindliche Begegnung hinterlassen hat, will nicht verblassen. Schon vor Jahren sind die Imageträger des sowjetrussischen Automobilbaus aus dem ostdeutschen Straßenbild verschwunden – da drängt sich die Erinnerung daran allmählich wieder in den Vordergrund. Im Herbst 2000 faßt Torsten Zöke einen Entschluß: Er möchte den Moskwitsch seiner Eltern restaurieren. Und genau dieser Wagen sollte es sein, denn durch ihn hatte er einst die Bedeutung des Wortes "Auto" erlernt. Die große Westwageneuphorie der Nachwendezeit überstand das Fahrzeug in der elterlichen Garage. Dort wartete es auf seine Wiederentdeckung.

Eine gründliche Inspektion des betagten Kraftwagens (Baujahr 1977) förderte jedoch trauriges zutage. Obwohl sich die Technik und das äußere Erscheinungsbild in brauchbarem Zustand präsentieren, wird bald klar: Dieser Wagen ist ein echter Problemfall!

Die Bodengruppe des bereits zerlegten Fahrzeuges. Motor, Getriebe, Vorderachse, Kotflügel, Frontmaske sind entfernt worden. Der an die Karosserie angeschweißte Hilfsrahmen zeigt Durchrostungen an mehreren Stellen. Er wäre komplett zu erneuern. Eine so komplizierte Arbeit sollte sich kein Anfänger zumuten. Auch läßt sich der Aufwand dafür nur selten rechtfertigen. Dazu müßte, den Angaben der Reparaturanleitung gemäß, ein provisorischer Rahmen aus Winkeleisen hergestellt und mit der Karosserie verschweißt werden. Dieser würde die Stabilität der Karosserie während der Hilfsrahmenerneuerung gewährleisten.

Torsten Zöke gelang es, ein Ersatzfahrzeug zu organisieren, dessen Karosserie er für sein Projekt verwenden konnte. Ein Kompromiß gegenüber seinem ursprünglichen Vorhaben, der sich als akzeptabel erweist, zumal das Spenderfahrzeug aus dem gleichen Baujahr stammt. Für den Wiederaufbau wird nur die rohe Karosse des Ersatzteilspenders verwendet. Alle anderen Teile werden aus dem grünen Moskwitsch der Eltern übernommen.

Ein Moskwitsch 2140, wie ihn der DDR-Alltag entließ: Spoiler, heimwerkermodifizierte Stoßstange und fehlende Zierleisten am Heck.

 

 

Der Moskwitsch wird komplett zerlegt. Eine Besonderheit der Limousine 2140: Wenn die hinteren Kotflügel erneuert werden sollen (geschweißt), muß zunächst die Heckscheibe entfernt werden. Für eine gute Lackierung ist dies ohnehin sinnvoll. Torsten Zöke ist ein gründlicher Restaurator. Er entfernt sogar die Deckenverkleidung und sagt später: "Im nachhinein würde ich diesen Schritt gerne rückgängig machen. Es war die Hölle sie wieder einzubauen." Tatsächlich ist diese Arbeit komplizierter, als es zunächst scheinen mag. Hierfür möge man sich eines Spezialisten aus dem Sattlergewerbe bedienen.

Der Ausbau des Armaturenbrettes ist einfach zu erledigen, wenn man herausgefunden hat, wie es befestigt ist. Durch lediglich drei Schrauben wird das wuchtige Teil an der Karosserie festgehalten.

Das abgebildete Lenkrad stammt aus den achtziger Jahren. Die frühere und für dieses Fahrzeug originalgetreue Ausführung hat einen größeren Prallteller mit den kyrillischen Insignien für AZLK und zwei kurze, schmale Speichen. Aus rein technischer Sicht sind beide Varianten brauchbar. Zwecks Demontage des Lenkrades von der Lenksäule wird die Verkleidung des Pralltellers vorsichtig abgezogen und die Mutter von der Lenksäule entfernt. Die kunststoffummantelten Metallspeichen des Lenkrades sind federnd angebracht und mit Sollbruchstellen versehen. Bei einem Verkehrsunfall könnte dadurch schweren Verletzungen vorgebeugt werden. Weil Schläge gegen das Lenkrad zur Schwächung dieser Sollbruchstellen führen können, soll zum Abdrücken von dem feinverzahnten Lenksäulenkonus ein Abzieher verwendet werden.

 

Es ist sinnvoll zuerst die demontierten Teile zu bearbeiten. Sie können dann einbaufertig gelagert werden. Wenn die fertige Karoserie vom Lackierer zurückgekommen ist, sieht man sich dem Ziel doch schon sehr nahe. Würde man erst dann mit der Instandsetzung unzähliger Einzelteile beginnen, so käme die Motivation schnell an einen Tiefpunkt. Unerwartet auftretende Probleme brächten den Zeitplan dann vollends durcheinander.

Frontmaske, einzelne Lagen der hinteren Blattfedern, Tank

Die Vorderachse ist stabil konstruiert und kam erstmals 1964 beim Moskwitsch 403 zur Anwendung. Achskörper, untere Querlenker und Schraubenfedern, letztere ab Moskwitsch 402 (1956-58), wurden seit dieser Zeit nicht verändert. Die Schwingachsen der oberen Querlenker wurden ab 1971 in Gummimetallelementen anstelle der früher üblichen Gewindebuchsen gelagert. Komplette obere Querlenker der neuen Bauart können auch an früher gelieferten Wagen eingesetzt werden. Neu sind die Zweikreisbremsanlage und die vorderen Scheibenbremsen ab Baujahr 1976. Es wurden zwar weiterhin auch Fahrzeuge mit vorderen Trommelbremsen ausgerüstet. In der DDR war diese veraltete Ausführung jedoch nicht mehr erhältlich.

Für die Demontage der oberen Querlenker ist kein Federspanner erforderlich, wenn das Fahrzeug auf eigenen Rädern steht. Man benötigt ihn jedoch, wenn die unteren Querlenker ausgebaut werden sollen. Ein Federspanner, der an den Windungen der Schraubenfeder angesetzt wird, ist hier wenig hilfreich, da ein großer Teil der Feder vom Vorderachskörper verdeckt wird. Zwecks Demontage wird zunächst der Stoßdämpfer entfernt. An seiner Stelle wird eine genügend gehärtete Gewindestange (Feingewinde) eingesetzt. Mit Hilfe von entsprechenden Muttern können dann unterer Querlenker und Achskörper zusammengedrückt werden. Die Befestigungsschrauben des unteren Querlenkers werden vom Achskörper entfernt und die Feder wieder entspannt.

Die Vorderachse dieses Moskwitsch’ hat Torsten Zöke nach der Zerlegung und der Ausbesserung einiger Schweißnähte, sandstrahlen und verzinken lassen.

Blattfeder der Hinterradaufhängung (zwei Stück pro Fahrzeug, längs eingebaut), Achsschenkel, unterer Querlenker, Spurstangen, in der Mitte: Auspuffkrümmer und das sich daran anschließende Zwillingsrohr des Auspuffes.

Torsten Zöke bei der Arbeit an der Hinterachse. Letztendlich entschloß er sich, auch dieses Bauteil sandstrahlen zu lassen. Das Differentialgetriebe präsentierte sich in einem technisch guten Zustand. Zerlegung und Reparatur waren (zum Glück) nicht erforderlich. Eine solche Arbeit wäre recht kompliziert. Nicht vorhandenes Spezialwerkzeug und schwer erhältliche Ersatzteile setzen dem Hobbyrestaurator hier gewisse Grenzen. Ohne detaillierte Reparaturanleitung mit den nötigen Einstelldaten sollte man keinen Reparaturversuch wagen.

Zerlegte Blattfeder der Hinterradaufhängung und Bremstrommeln der hinteren Bremsen. Die abgebildeten Bremstrommeln wurden vom Hersteller ab 1970 eingesetzt. Bei Fahrzeugen ohne Scheibenbremsen werden sie auch vorn verwendet. Kommen sie paarweise pro Achse zum Einsatz, so können sie ab dem Moskwitsch 403 (ab Baujahr 1964) genutzt werden. In den achtziger Jahren erschienen Ersatzteil-Bremstrommeln, deren Form den Einsatz an älteren Moskwitsch-Typen mit der Felge 4J-13 verbietet. Notfalls müsste man die Felge 4,5J-13 verwenden.

Für den Moskwitsch 2140 wurde der Motor aus dem Vorgängertyp 412 unverändert übernommen. Im Zusammenhang mit Rationalisierungsmaßnahmen wurden Thermostat und Vergaser, letzterer unter Anpassung der Düsenbestückung, vom Hersteller VAZ (Lada) verwendet. Die älteren Varianten wurden weiterhin produziert, waren aber in der DDR nicht mehr erhältlich.

Der im Bild gezeigte Motor erwies sich als technisch gesund und funktionsfähig. Der Restaurator reinigte ihn gründlich und erneuerte etliche Dichtungen. Hier sind sogar die originalen roten Zündkabel erhalten geblieben. Unter dem Zündverteiler sieht man das Ölfiltergehäuse, rechts daneben die Keilriemenscheibe der Kurbelwelle mit der Anwerfklaue (Eingriff für die Anwerfkurbel bei Bedarf). Darunter ist das Gehäuse der Ölpumpe zu erkennen. Hinter der oberen Keilriemenscheibe verbirgt sich die Wasserpumpe. Daneben hängt die Spannleiste der (hier nicht montierten) Drehstromlichtmaschine. Auf der gleichen Motorseite befindet sich etwas weiter hinten der Ölmessstab, darunter das Gummimetallelement, mit dem der Motor gewöhnlich auf dem Vorderachskörper ruht. Unter der violetten Tüte verbirgt sich der Vergaser.

 

Ein neuer Oberflächenaufbau für den Unterboden erfordert gründliche Vorarbeiten. Der alte Unterbodenschutz muß komplett entfernt werden. Dieser ohnehin langwierige, teils frustrierende Arbeitsgang lässt sich etwas vereinfachen, wenn man die demontierte Karosse auf die Seite legt. Eine Unterlage aus alten Reifen und Decken in Höhe der Dachrinne und des Schwellers verhindern eine Beschädigung des Wagens.

Der Vergleich dieses Hilfsrahmens mit dem des ursprünglichen Restaurierungsobjektes zeigt, warum der Ersatzteilspender nötig ist.

 

Nach dem Vorbild der Matrjoschka: Unterbodenversiegelung in sechs (!) Schichten: zweimal Rostschutz, einmal Vorstreichfarbe, einmal Lackfarbe, zweimal Würth-Unterbodenschutz.

Die Vorderachse wird montiert. Der Achskörper wurde bereits am Hilfsrahmen befestigt. Nun folgt der Zusammenbau der Vorderradaufhängung. Im Interesse der eigenen Sicherheit möge man unbedingt Spezialwerkzeug zum Spannen der großen Spiralfeder verwenden.

 

Die Karosse steht wieder auf eigenen Rädern – ein erster Teilerfolg. Das bringt neue Motivation. Die ist dringend nötig, denn ...

 

... auch im Innenraum soll die alte Farbe vollkommen entfernt werden. Torsten Zöke gibt sich große Mühe und versucht es mit Sandpapier, Abbeizer und Winkelschleifer. Letztendlich reift die Erkenntnis, daß das Sandstrahlen und anschließendes Verzinken doch die rationellste Methode ist.

 

Hier läßt sich das Auto doch schon erahnen.

Der Profi-Lackierer holt das gute Stück zuhause ab.

 

In der Lackierwerkstatt angekommen erhält die Karosse zunächst einen roten Überzug. Der Lackierer sagt, daß er so die Unebenheiten, die gespachtelt werden müssen, besser erkennen kann.

Füllgrund, Schleifen, Füllgrund, Schleifen und da capo al fine – eine Arbeit, um die der Lackierer nicht zu beneiden ist, noch dazu, wenn es sich um einen Moskwitsch handelt. Dieser Lackierer ist nicht der erste, der sich über die schlechte Vorarbeit aus dem Moskwitsch-Werk bitterlich beklagt.

Türen und Hauben werden extra behandelt.

Der Innenraum erhält seine endgültige Lackschicht.

 

Der Lackierer liefert seine Arbeit ab. Sie ist beeindruckend. Im Herstellerwerk bekamen seinerzeit manche verdeckte Partien der Karosserie überhaupt keinen Lack oder nur einen leichten Farbnebel ab. Hier jedoch ist alles perfekt.

Hinten an der Wand lehnt ein alter Kotflügel, der als Farbvorlage diente. Natürlich sollte das Schmuckstück im gleichen Farbton erstrahlen.

Was unser Restaurator nicht wußte: Seit Ende der 60er Jahre wurden die für den Export bestimmten Moskwitsch-Wagen mit westeuropäischen Lacken überzogen. Auch die kleine Dose Reparaturlack, die jedem Neufahrzeug beilag, gab darüber Aufschluß. In kyrillischen und lateinischen Buchstaben war darauf nicht nur der Farbton sondern auch der Hersteller vermerkt ("Stollack, Wien – Austria" oder "STANDOX/Herbertslack"). Auch heute noch hält die Firma STANDOX (http://www.standox.de) die komplette Farbpalette für Scaldia/Moskwitsch-Fahrzeuge seit Ende der 60er Jahre bereit; eine Tatsache, die vielen Freunden dieser Automarke leider unbekannt ist.

 

Wie schon oben erwähnt: Der ordentliche Einbau des Himmels ist eine ganz besondere Qual. Kurze Zeit nach diesen Aufnahmen mußte auch Torsten Zöke diese Erfahrung machen.

Ein Blick unter den fertigen Wagen, vom Heck aus gesehen:

Der Motorraum – ein Gedicht! Keine Schraube ist übriggeblieben. Die Maschine läuft (s. Lüfterrad). Bemerkenswert ist auch die originalgetreue Batterie.

Torsten Zöke hat sich einen Traum erfüllt. Sicherlich war es bis hierhin kein leichter Weg. Dieser Anblick entschädigt jedoch für alle Strapazen.

Zum Vergleich sei noch einmal auf das erste Bild verwiesen: Um der individuellen Originalität des Eltern-Moskwitsch’ zu entsprechen, kamen sogar die Zusatzscheinwerfer aus dem DDR-Autozubehörhandel wieder an ihren angestammten Platz.

Das Fahrzeug in Zahlen:

Hersteller: AZLK Moskau

Leistung: 55 kw (75 PS nach DIN) bei 5.800 U/min

Hubraum: 1478 cmł

Erstzulassung: 09. 12. 1977

Restaurierung: ca. 1 Jahr, ca. 1.980 Arbeitsstunden

Kosten der Restaurierung: ca. 7.000,-- DM

Nachwort:

Diese Dokumentation beinhaltet nicht alle Details, die im Rahmen einer Restaurierung anfallen können. Das liegt natürlich am Zustand des Restaurierungsobjektes, der bestimmte Arbeiten nicht notwendig erscheinen ließ, schließlich aber auch daran, daß eine solche Veröffentlichung anfangs gar nicht geplant war und sich erst nach der Fertigstellung des Projektes ergab.

Es wäre erfreulich, wenn dieser Artikel Hilfestellung und Anregungen für andere Moskwitsch-Projekte gibt. Alle Angaben erfolgen jedoch ohne Gewähr.

Torsten Zöke hat, angesichts seiner Gründlichkeit und des beträchtlichen Aufwandes, diesen Moskwitsch in recht kurzer Zeit restauriert. Einige Kleinteile, die seine Arbeit abrunden würden, konnte er bisher leider nicht beschaffen. So fehlen zum Beispiel die Zierleisten an den Regenrinnen und den Schwellern. Wer damit behilflich sein kann, der melde sich bitte bei moskvich.de.

 

Photographien: Torsten Zöke, Herbert Zöke,

Text: Peter Korthals.

10. September 2001